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The Great Khali: Aus dem Steinbruch an die Spitze

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Published on:
18.07.2007, 00:00 
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Es gibt Wrestler, die bestechen durch Ausnahmekönnen im Ring. Es gibt Wrestler, die beeindrucken durch rhetorisches Talent und starke Promos. Es gibt Wrestler, die sich durch ein perfekt ausgearbeitetes Gimmick von ihren Kollegen abheben. Und es gibt Wrestler, die nichts von alldem brauchen, weil sie einen gottgegebenen Wettbewerbsvorteil haben: Eine körperliche Erscheinung, die einen Attraktionswert hat und im Gedächtnis bleibt, auch Leuten die nichts mit Wrestling zu tun haben. Zu diesen gehört der Great Khali, dem diese Erscheinung geholfen hat, der Armut seines indischen Heimatdorfes zu entfliehen und zum World Champion der größten Wrestlingliga der Welt zu werden.

Dalip Singh, wie der 2,21-Hüne im wirklichen Leben heißt, wuchs als drittältestes von neun Kindern im kleinen Dorf Dhirana auf. Weil seiner Familie das Geld fehlte, ging er kaum zur Schule und begann im Straßenbau zu arbeiten, wo es seine Aufgabe war Felsen zu zerkleinern. Im Jahr 1993 wurde ein Polizeibeamter auf ihn aufmerksam und verschaffte ihm einen Job auf der Wache – ein nachvollziehbarer Gedanke: Wer traut sich schon Verbrechen zu begehen, wenn die Gesetzeshüter einen wie Singh in ihren Reihen haben? Singh ist übrigens noch immer als Unterinspektor bei der Polizei angestellt und für seine Karriere nur vom Dienst freigestellt. Mitte 2006 wurde er kurzzeitig suspendiert, weil er es versäumte, seinen Dienst wieder anzutreten, er wurde vom örtlichen Generaldirektor aber direkt wieder eingesetzt.

Neben seinem Beruf begann der damals gerade einmal 90 kg schwere Singh Bodybuilding zu betreiben und schaffte es in dieser Sportart eine nationale Größe zu werden. Zweimal gewann er die Mr.-India-Konkurrenz. Eine große Karriere in dem Bereich gestaltete sich jedoch als schwierig. Wie sein Trainer einer indischen Zeitung erklärte, ist in internationalen Konkurrenzen wegen seiner Größe ein Mindestgewicht von 220 Kilogramm vorgeschrieben, das er mit der Nahrung in seinem Heimatland kaum erreichen konnte. Darum orientierte sich Singh auf Anraten seines Trainers um und begann eine WWE-Karriere anzustreben.

Todesfall überschattet Training

Die beiden schrieben mehrere US-Promotions an und bekamen eine Antwort von der kalifornischen Indy-Liga All Pro Wresling, die sich bereit erklärte, Singh zu trainieren. Finanziert von seinem Coach siedelte Singh in die USA über, um dort Karriere zu machen. Singhs Zeit bei APW, wo er im Herbst 2000 sein Debütmatch bestritt, wurde allerdings von einem tragischen Vorfall überschattet: Dem Tod seines jungen Mitschülers Brian Ong, der im Mai 2001 bei einem Flapjack des Riesen auf den Kopf fiel und tödlich verletzt wurde.

Was von vielen oberflächlich informierten Fans immer wieder als wichtigster Beleg angeführt wird, dass Singh in keinen Wrestlingring gehört, war allerdings komplizierter, als es auf den ersten Blick erschien. Ong hatte die Aktion einerseits falsch genommen, zum anderen hatte er schon vor der Aktion eine Gehirnerschütterung erlitten und hatte weiter trainiert. In einer Zivilklage der Ong-Familie gegen APW wurde der Liga die Hauptverantwortung an dem Vorfall attestiert, weil sie ihn nach der ersten Verletzung nicht zwangen, sich ärztlich untersuchen zu lassen. Singh wurde keine Schuld an Ongs Tod gegeben.

Einige Monate später wurde New Japan auf Singh aufmerksam: Unter dem Namen „Giant Singh“ wurde er als Schützling von Masahiro Chono in die Liga gebracht und in ein Team mit einem weiteren Riesen gesteckt, dem aus der WWF bekannten Giant Silva. Der „Club 7“ – eine Anspielung darauf, dass beide über sieben Fuß groß waren, besiegte in seinem Debüt gleich vier Wrestler. In den kommenden 12 Monaten wurde er sporadisch als Attraktion gebucht, bis er im August gegen Silva verlor und danach nicht mehr in der Liga gesehen wurde. Singhs Japan-Matches gelten als unansehbar, Dave Meltzer vom Wrestling Observer beschrieb Singh als „völlig talentfrei“ und „hoffnungslosen Fall“.

Adam-Sandler-Film als Türöffner

Es lag wohl auch an Singhs schwachen Auftritten im Land der aufgehenden Sonne, dass es danach jahrelang still um ihn wurde. Erst im Jahr 2005 machte er wieder ein größeres Publikum auf sich aufmerksam, als er eine Rolle in der Adam-Sandler-Komödie „Spiel ohne Regeln“ ergatterte. Singh spielte darin einen Häftling, der sich ein Gefängnis-Footballteam anschließt, das gegen seine Wärter aufs Feld geht. Der Film war in den USA anders als hierzulande ein Kassenerfolg und brachte Singh viel Publicity, die dadurch verstärkt wurde, dass Sandler ihn wegen seiner Erscheinung zu vielen Promo-Auftritten mitnahm – unter anderem bei Late-Night-Ikone Jay Leno.

Seine unterhaltsamen Auftritte waren wohl der Ausschlag gebende Faktor, dass WWE ihn im Jahr darauf trotz seines schlechten Leumunds unter Vertrag nahm. Nach einigen Monaten Training in der Ex-Farmliga Deep South Wrestling debütierte er unter dem Namen Great Khali im Hauptkader – vermutlich abgeleitet von Kali, der indischen Göttin des Todes und der Zerstörung – und wurde direkt eine große Fehde mit dem Undertaker gesteckt.

Doch auch in der McMahon-Company wurden Khalis eng begrenzte Fähigkeiten schnell zum Problem. Dass viele Fans bei einem Push des Hünen auf die Barrikaden gingen, dürfte die Liga zwar einkalkuliert haben, aber auch die Verantwortlichen selbst begannen bald mit Khalis Beschränkungen zu hadern. Das wurde spätestens vor dem Summer Slam offensichtlich, als die Fehde in einem Last Man Standing zwischen Khali und dem Undertaker beendet werden sollte. Die WWE kam jedoch zu dem Schluss, dass mit Khali zu diesem Zeitpunkt kein Live-Match zu machen war und verlegten das Match auf eine reguläre SmackDown!-Ausgabe vor, wo es vorab noch geschnitten werden konnte.

Harte Schale – sanfter Kern

Damals wurde bereits gemunkelt, dass Khalis Niederlage sein letzter WWE-Auftritt gewesen sein könnte, doch man entschloss sich dem Hünen nach überstandener Knieverletzung eine neue Chance zu geben. Und in den Augen der WWE hat er sie genutzt. Natürlich ist aus ihm kein Gardetechniker geworden, aber darauf kommt es auch nicht an: Ein Mann seiner Größe braucht wenig zu tun, um die gewünschte Wirkung zu entfalten, er darf in erster Linie nur keine Fehler machen, die seine Glaubwürdigkeit als Zerstörungsmaschine untergraben. Und so weit scheint Khali inzwischen zu sein.

Doch Khalis körperliche Voraussetzungen hat auch ein Nachteil, nämlich den, dass sich seine Einsatzmöglichkeiten im Grunde auf eine Rolle beschränken. Die des unbesiegbar scheinenden Monsters, das am Ende dann aber doch von einem Publikumsliebling zu Fall gebracht wird. So endete seine Fehde mit dem Undertaker, so endete seine Fehde mit John Cena und so wird auch seine Titelregentschaft irgendwann enden. Und die Frage wird sein, was dann sein wird, denn beliebig oft kann man die Geschichte nicht wiederholen.

Mit ziemlicher Sicherheit warten viele Fans nur auf den Tag, an dem die WWE keinen Verwendungszweck mehr für Khali hat. Doch so verständlich es auch sein mag, sich den Wrestler Khali vom Schirm zu wünschen: Der Mensch Dalip Singh scheint den Erfolg, den er nun hat, verdient zu haben. Glaubt man den Medienberichten aus seiner Heimat, engagiert er sich für benachteiligte Kinder und Behinderte, er ermuntert Jugendliche sich von Drogen und Gewalt fernzuhalten und versucht mit dem Geld, das er in den USA verdient, sein ganzes Dorf durchzufüttern.

Hinter Khalis Furcht einflößendem Äußeren steckt also offenbar ein Menschenfreund mit goldenem Herzen, dessen Geschichte selbst schon reif dafür ist, von Hollywood verfilmt zu werden. Es sollten vielleicht nur nicht zu viele Wrestlingszenen darin vorkommen.