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CM Blök #3: Gedanken zu John Cena

Kolumne

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Published on:
29.01.2008, 01:23 
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Der Weltuntergang ist keine 24 Stunden her. Zumindest kommt es einem so vor, wenn man manche Reaktionen auf deutschen Wrestlingboards zu John Cenas fulminanter Rückkehr in das WWE Titelgeschehen liest. Zugegeben, die meisten User, die ich hier im Käfig kennen und schätzen gelernt habe, sehen die Sache ähnlich wie ich, nämlich als eine tolle und positive Überraschung, welche dem Momentum der anstehenden WrestleMania nur zuträglich sein kann. Die negativen Reaktionen kommen (auf allen Boards) in vielen Fällen von Usern, die eine geringe Postingzahl haben, keinen Wert auf vernünftige Rechtschreibung legen und das angesprochene Ende der Welt heraufbeschwören. Ich persönlich habe spätestens Mitte letzten Jahres aufgehört, diese User ernst zu nehmen, als sie tatsächlich angefangen haben zu behaupten, The Great Khali habe John Cena in deren Fehde zu halbwegs guten Matches gezogen.

Jedoch möchte ich in meiner dritten Blök-Kolumne nicht über diese Scheuklappen-Smart Marks reden, weil im Grunde jede Diskussion mit ihnen oder über sie reine Zeitverschwendung wäre, da sie sich ihre Meinung gebildet haben und im Leben nicht davon abweichen werden, auch wenn ihre Argumente über unbelegte und monotone Variationen von "der kann nix" nicht hinausgehen. Nein, ich wende mich lieber direkt dem Subjekt der Kontroverse zu, John Cena persönlich.

Ich habe John Cena zum ersten Mal bei seinem Debüt im Jahr 2002 in den Matches gegen Kurt Angle und Chris Jericho kennengelernt. Er war bereits damals ein engagierter Wrestler, auch wenn ihm natürlich die Erfahrung fehlte, was ein gutes WWE Match von einem ausgezeichneten WWE Match unterscheidet. Erste Promos zeigten jedoch bereits deutliche Anzeigen von einer Gabe, die sich nach einem Heelturn zum "Doctor Of Thuganomics" verdichten sollten. Erste Rufe der Smart-Mark-Brigade auf deutschen Wrestlingboards zu dieser Zeit wurden laut, Cena sollte doch endlich die "alten Säcke" ablösen. "Alte Säcke" stand damals für Leute wie Triple H oder den Undertaker, was aus heutiger Sicht einer gewissen Komik nicht entbehren kann, weil es heutzutage neue Smarties gibt, die sich das genaue Gegenteil wünschen.

Nichtsdestoweniger, John Cena als Heel kam an. Seine selbst geschriebenen Raps machten ihn einzigartig in einer zunehmend geskripteteren WWE-Promo-Welt, was die Fans natürlich bemerkten und damit quittierten, dass sie die WWE quasi dazu zwangen, Cena im Laufe der nächsten Monate zum Face turnen zu lassen. Cena arbeitete sich weiter nach oben, blieb aber bis Anfang 2005 stets eine Spur unterhalb des Main Events, was ironischerweise bei einigen Leuten damals zu bösartigen Verwünschungen in Richtung der WWE und den Antichristen Triple H führte. Immerhin fürchtete Triple H ja, dass Cena ihm die Rolle als fokaler Punkt der WWE abnehmen würde, oder? Na, wer erinnert sich? Egal, so war es halt.

Es sollte noch erwähnt werden, dass John Cena mit seinem Faceturn zwei Dinge einleitete, die ihn bis heute "verfolgen":

1. Die WWE richtete ihr Programm wieder mehr für Kinder und Familien aus. Daran ist nicht nur John Cena "schuld", sondern natürlich auch Rey Mysterio und nicht zu vergessen D-Generation X, aber Cena hat den Trend gestartet, da er mit seinem Charisma besonders bei Frauen und bei Kindern enorm punkten konnte. Sein Merchandise wuchs zu einer eigenen kleinen Marketingmaschine heran und ist zweifelsohne einer der Gründe dafür, dass die WWE auch drei Jahre später an Cena festhält. Sie wäre auch schön blöd, wenn sie das nicht täte. Es gibt auch keinen ernstzunehmenden Promoter auf der Welt, der bei einer derartigen Merchandise-Rakete nicht die Dollar-, Euro- oder Sonstwas-Zeichen in den Augen blinzeln haben würde.

2. Das männliche WWE Publikum, seines Zeichens in den letzten Jahren wenig intelligenter, dafür aber rebellischer geworden, begann Cena für seine Popularität bei Frauen und Kindern zu hassen. Gestärkt wurde diese Resonanz darüberhinaus durch die wachsende Ungeduld bei vielen Fans, die in der Hektik heutiger Gesellschaften einfach nicht mehr mit dem Konzept eines länger regierenden Champions anfreunden konnten. Cena wurden die selben Flüche an den Hals gewünscht wie zuvor Austin, Rock und Triple H, als die an der Spitze waren. Sogar Internetliebling (zu der Zeit) Chris Benoit hatte 2004 nach nur drei Monaten damit zu kämpfen, dass manche Leute seiner ach so langen Regentschaft als World Champion bereits überdrüssig waren. "Cena ist an der Spitze angekommen, also braucht er unsere Hilfe nicht mehr", so oder so ähnlich lässt sich der Gedankengang männlicher, rebellischer Wrestling-Fans Anfang bis Ende 20 beschreiben. Cena ist oben, was ist mit Carlito? Warum ist Shelton Benjamin kein World Champion? Warum nicht Edge? Warum nicht RVD?

Auf einmal war es nicht mehr cool, zu seinem Favouriten zu halten, sondern stets für einen Push derer einzustehen, die noch keinen festen Platz im Main Event erreicht haben. Das Schicksal von John Cena, dass mit dem Erfolg auch die Neider aus ihren Löchern kommen, ereilte in den darauffolgenden Jahren genauso Batista, Rey Mysterio und zuletzt Edge. Wer heutzutage einen Titel länger als zwei Pay Per Views hält, gilt in manchen Kreisen bereits als "langweilig" und "eintönig". Ich persönlich falle bei solchen Meinungen vom Glauben ab und frage mich, ob diese Menschen tatsächlich das richtige Hobby gewählt haben, aber so ist halt die Entwicklung. John Cena ist die Speerspitze der WWE, doch genauso ist er auch das Hauptziel für die rebellische Anti-Bewegung, gerade auch weil es so frustrierend ist, Cena zu hassen.

Die WWE kümmert sich nicht um die Anti-Cena-Bewegung und das sollte sie auch nicht. John Cena selbst nimmt es mit Humor, weil es seinem Wesen entspricht, die Dinger etwas lockerer zu sehen als bspw. Kollege Batista, der bei einer negativen Reaktionen bei einer ECW Show hinterher gewaltig angefressen war. Diese Lockerheit kann sich Cena erlauben, weil er sie sich verdient hat. Er weiß selbst, dass ihm die WWE Anfang 2005 eine Rakete auf den Rücken gebunden hat, die für einige Fans vielleicht etwas zuviel Benzin im Tank hatte, doch er hat dies als Herausforderung angesehen, an sich zu arbeiten und diese Fans auf seine Seite zu ziehen. Dass er damit das genaue Gegenteil erreicht hat, nämlich dass zunehmend mehr männliche Fans auf den Anti-Cena-Zug aufgesprungen sind, selbst nachdem Cena im Jahr 2007 die meisten herausragenden PPV Matches von allen Main Eventern aufzuweisen hatte, liegt meiner Meinung nach nicht zuletzt darin begründet, dass männliche Wesen zwischen 16 und 26 in der heutigen Zeit solche "Siegertypen" einfach nicht mehr cool finden, egal ob sie sich ihre Position erarbeitet haben oder nicht. Diese Mentalität wird es auch in Zukunft geben, wenn es irgendwann heißt: "Boah, dieser CM Punk kann überhaupt nix, wird Zeit das Cody Rhodes Champion wird..." Ich find's schade.

Um die Kurve zu meiner eigenen Meinung noch zu kriegen: Ich mochte Cena als Thuganomics-Heel und war von seiner Zeit als US Champion nicht sonderlich überzeugt, allerdings auch deswegen, weil ihm die guten Gegner fehlten. Als WWE Champion gewann er sich meinen Respekt für engagierte Leistungen, auch weil er sichtlich daran interessiert war, das Beste zu geben, was er konnte, ob es gegen JBL, Kurt Angle, Chris Jericho, Edge, Triple H, Umaga, Randy Orton oder sonstwen ging. Ein Shawn Michaels ist er bis heute nicht geworden, aber wie auch The Rock vor ihm hat er seinen Rhythmus vor über einem Jahr gefunden, mit dem er in der Lage ist, im WWE Universum ausgezeichnete Main Event Matches zu leisten, wenn der Gegner ebenfalls dazu gewillt ist. Nach seinem Match gegen Umaga, spätestens aber nach der Matchserie gegen Michaels ist Cena in meinen Augen ein würdiger Champion und einer der besten Worker der WWE. Die Liga ist für die kommende Zeit nach HBK, nach dem Undertaker, nach Triple H gerüstet. John Cena führt die nächste Generation um Randy Orton, MVP, Mr. Kennedy, Jeff Hardy, CM Punk und Matt Hardy an, ob es die Scheuklappen-Fans mögen oder nicht. Aber wenigstens haben sie dann etwas zu meckern. Denn ohne Gemecker gilt man ja heute nicht mehr als Wrestling-Fan, oder?